10 Tage ohne Ergebnis: Mitte August sind in Genf die Gespräche der Vereinten Nationen über ein globales Plastikabkommen gescheitert. Ziel der Verhandlungen war es, das erste rechtsverbindliche internationale Abkommen gegen Plastikverschmutzung abzuschließen und so die weltweite Vermüllung der Meere und der Umwelt deutlich zu begrenzen. Bereits 2022 begonnen, sollte in der letzten Verhandlungsrunde in Genf endlich eine globale Einigung zur Lösung der Plastikkrise erzielt werden. Doch das Treffen der 184 Teilnehmerländer wurde ohne einen gemeinsamen Vertrag beendet. Was bedeutet das jetzt?
Das UN-Plastikabkommen sollte die wichtigsten Aspekte des Plastikproblems enthalten: die Begrenzung der Plastikproduktion, verbindliche Vorgaben für Produktdesigns mit dem Ziel einer besseren Recyclingfähigkeit sowie die Förderung einer Kreislaufwirtschaft, bei der die Rohstoffe von Produkten wiederverwendet werden.
Mehrere Staaten blockierten Vertragstext
Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass die Positionen der Länder stark auseinandergehen. Eine Mehrheit von über 100 Staaten (High Ambition Coalition), darunter die EU und viele Länder aus Südamerika, Afrika und Asien, drängte auf ein ehrgeiziges Rahmenwerk. Dieses sollte die globale Kunststoffproduktion begrenzen, Becher und Besteck aus Einwegplastik komplett abschaffen sowie giftige chemische Zusatzstoffe verbieten.
Blockiert wurde dies vor allem von ölproduzierenden Staaten wie Saudi-Arabien und Russland sowie von den USA. Sie wollten sich vor allem auf ein besseres Abfallmanagement konzentrieren. Produktionsbegrenzungen für Kunststoffe aus Erdöl, Kohle und Gas lehnten sie strikt ab.
Bedrohung von Mensch und Umwelt durch Plastikmüll
Weltweit werden laut OECD jedes Jahr mehr als 450 Millionen Tonnen Plastik produziert. Wenn sich daran nichts gravierend ändert, wird sich die Menge an Plastikmüll bis 2060 fast verdreifachen, so die Prognose der OECD-Experten.

Quelle: OECD Global Plastic Outlook 2022
Mikro- und Nanoplastik ist überall präsent
Über 100 Millionen Tonnen Plastikabfälle haben sich Schätzungen zufolge in den Ozeanen angesammelt. Eine aktuelle Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) legt nahe, dass es offenbar noch viel mehr Plastik im Meer gibt als bisher angenommen. Demnach sollen sich allein in der oberen Wasserschicht des Nordatlantiks 27 Millionen Tonnen kleinster Plastikpartikel befinden.
Plastik verschwindet nicht, sondern zerfällt im Laufe der Zeit in immer kleinere Partikel: Mikroplastik und Nanoplastik. Plastikteile befinden sich mittlerweile selbst in den tiefsten Meeresgräben und den abgelegensten Teilen der Erde.
Die weltweite Plastikflut hat dramatische Auswirkungen: Plastikmüll bedroht Meereslebewesen sowie maritime Ökosysteme und gefährdet die menschliche Gesundheit. Forschende finden Plastikpartikel mittlerweile in menschlichen Organen und sogar im Gehirn. Mikro- und Nanoplastik soll verschiedenen Studien zufolge mit diversen Krankheiten in Zusammenhang stehen und Entzündungen fördern.
Scheitern des UN-Plastikabkommens enttäuschend, aber nicht überraschend
Angesichts der globalen Plastikkrise äußerten sich Vertreter:innen vieler Staaten, Organisationen und der Wissenschaft extrem frustriert über den Ausgang der Gespräche. „Das Scheitern ist ein schwerer Rückschlag im globalen Kampf gegen die Plastikflut und auch ein schwerer Rückschlag für die Interessen der Menschen auf diesem Planeten”, so Frank Schweikert, Vorstand und Gründer der Deutschen Meeresstiftung. Die stockenden Verhandlungen zeigten, wie stark kurzfristige wirtschaftliche Interessen über das langfristige Überleben unserer Ökosysteme gestellt werden, so Schweikert.
Karsten Hirsch von Plastic Fischer dazu: „Nach jahrelangem Hin und Her stehen wir ohne echte Ergebnisse da und müssen uns erstmal damit abfinden, dass es international keine Einigung zum Thema geben wird, wie der Verschmutzung Einhalt geboten werden soll.” Das Ergebnis sei jedoch nicht überraschend.
Bei vielen Beteiligten herrscht zudem der Konsens, dass keine Einigung besser sei als ein schwammiges Abkommen ohne effektive und verbindliche Maßnahmen. So auch Joel Tasche von CleanHub: „Letztendlich denke ich, dass es besser ist, nochmals zu verhandeln, anstatt ein schwaches Abkommen in die Welt zu setzen, das nichts ändert."
Was es jetzt braucht: Aufmerksamkeit, Strukturen und Bildung
Der Kampf gegen die Plastikverschmutzung der Umwelt muss nun vorerst ohne globales Abkommen weitergehen. Noch ist unklar, ob es weitere Verhandlungen geben wird. Fest steht: Um die Plastikflut in den Griff zu bekommen, braucht es kollektive Anstrengungen. Auch wenn lokale Ansätze keine globalen Lösungen ersetzen können – Ideen gibt es viele. Experten sehen vier zentrale Bausteine:
Aufmerksamkeit schaffen
„Ich wünsche mir, dass wir diese kurze Phase der Aufmerksamkeit, die das Thema Plastik nach langer Zeit mal wieder bekommt, jetzt nutzen, um Lösungen in den Mittelpunkt zu stellen, anstatt uns aufzuregen und die Welt schwarz zu malen", so Joel Tasche von CleanHub.
Vernetzen
„Wir setzen weiter auf Vernetzung – von Schulen bis zur Politik – um Druck „von unten“ aufzubauen. Wenn die Politik nicht das liefert, was wir für einen gesunden Planeten und damit gesunde Menschen brauchen, müssen wir als Gesellschaft, kuratiert von unabhängiger Wissenschaft, umso entschlossener vorangehen”, so Schweikert von der Deutschen Meeresstiftung.
Strukturen schaffen
„Es müssen verpflichtende Regelungen geschaffen werden, die Regierungen und produzierende Unternehmen zwingen, recycelbare Materialien herzustellen und Müll anständig zu entsorgen. Es braucht Abfallwirtschafts-Systeme, die den Müll an den Haushalten abholen. Es braucht Bildung, um von diesen Systemen richtig Gebrauch machen zu können, oder, wenn es keine solchen gibt, diese einzufordern", so Hirsch.
Bildung fördern
Die Wichtigkeit von Bildung betont auch GOT BAG-Gründer und Geschäftsführer Benjamin Mandos: „Das Scheitern der Verhandlungen ist enttäuschend. Aber wir lassen uns davon nicht entmutigen. Auch wenn es keine globalen Lösungen ersetzt, sind wir davon überzeugt, dass viele gemeinsam etwas bewegen können. Deshalb setzen wir mit unserer Partnerorganisation GOT BAG Indonesia neben dem Sammeln von Plastik und dem Aufbau von Entsorgungsstrukturen auf Bildung für einen bewussten Umgang mit Abfall."