EmpCo-Richtlinie und Green Claims Directive: Was gilt es zu beachten?

EmpCo-Richtlinie und Green Claims Directive: Was gilt es zu beachten?

Startups for Tomorrow Festival 2025: Where Growth meets Impact Du liest EmpCo-Richtlinie und Green Claims Directive: Was gilt es zu beachten? 9 Minuten

Grüne Werbeversprechen haben in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. In nahezu jeder Branche werden „grüne“ bzw. nachhaltige Produkte und Dienstleistungen angeboten. Viele Unternehmen kommunizieren klar und eindeutig, über welche umweltbezogenen Vorteile ihre Produkte verfügen, wie diese erreicht werden, welche positiven Auswirkungen dies hat und sogar, wo noch Nachbesserungsbedarf gesehen wird. 

Andere Anbieter scheinen primär darauf abzuzielen, ihren Angeboten einen umweltfreundlichen Anstrich zu verleihen. Dabei werden Umweltvorteile übertrieben, Teilaspekte auf das gesamte Produkt bezogen oder Selbstverständlichkeiten als Besonderheit herausgestellt. Vielfach wird auch mit höchst allgemeinen Begriffen wie „naturfreundlich“ oder „umweltschonend“ gearbeitet, deren konkrete Bedeutung weitgehend unklar bleibt. Ähnlich verhält es sich mit der Verwendung von nur schwer durchschaubaren Nachhaltigkeitssiegeln.

Auch wenn die Rechtsprechung den Unternehmen mittlerweile umfassende Informationspflichten auferlegt, entsteht im Alltag oftmals der Eindruck einer stillschweigenden Übereinkunft zwischen Verbraucher:innen und Anbieter:innen: Der Kauf eines – auf welche Weise auch immer – umweltfreundlichen Produkts dient dem guten Gewissen. Gerade bei günstigen Alltagsprodukten erfolgen aber selten Nachfragen zu den Details der angepriesenen Umweltvorteile; über QR-Codes oder Links zur Verfügung gestellte Folgeinformationen werden nur selten aufgerufen.

Ergebnis dieser vielfach unter dem Begriff „Green Washing“ zusammengefassten Ausgangslage sind zwei Gesetzgebungsprojekte der Europäischen Kommission, die eine bessere Information der Konsument:innen sicherstellen und damit einen echten und fairen Wettbewerb um tatsächliche Umweltvorteile und – innovationen ermöglichen sollen.

 

EmpCo und Green Claims: Zwei neue EU-Richtlinien als Lösung?

1. Die Richtlinie EU 2024/825 (sog. „EmpCo-Richtlinie“, von „empowern consumers for the green transition“) ist bereits in Kraft getreten; ein Regierungsentwurf zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb liegt vor und soll ab 27. September 2026 in Deutschland gelten. 

Schwerpunkt der EmpCo-Richtlinie ist die massive Beschränkung von allgemeinen Umweltaussagen, bei denen die angesprochenen Verbraucher:innen vielfach nicht eindeutig erkennen können, auf welchen konkreten umweltbezogenen Vorteil sie sich beziehen. Daneben dürften vor allem die vorgesehenen strengeren Bestimmungen für Nachhaltigkeitssiegel Auswirkungen auf Werbung und Labelling haben.

2. Die Richtlinie COM 2023/166 (sog. „Green Claims-Richtlinie“), die insbesondere wegen des darin enthaltenen Vorschlags einer notwendigen Vorab-Zertifizierung für umweltbezogene Werbeaussagen für Unruhe gesorgt hatte, befindet sich noch im – derzeit ins Stocken geratenen – EU-Gesetzgebungsprozess.

Aktuell werden einerseits Einschränkungen für kleinere und mittlere Unternehmen, die das aufwendige und teure Zertifizierungsverfahren teils nur schwer stemmen könnten, diskutiert. Andererseits wird vielfach gefordert, dass der EU-Gesetzgeber vor weiteren Verschärfungen für die „grüne Werbung“ zunächst die Umsetzung der EmpCo-Richtlinie abwarten und deren Ergebnisse evaluieren soll. Einige Mitgliedsstaaten haben zwischenzeitlich signalisiert, der Green Claims-Richtlinie nicht zustimmen zu wollen, so dass unsicher ist, ob und in welchem Umfang diese überhaupt umgesetzt werden kann. 

Jedenfalls ist nicht damit zu rechnen, dass entsprechende Vorgaben in Deutschland vor 2028 in Kraft treten können. Insoweit erscheint es sinnvoll, sich zunächst auf die Änderungen für die Werbepraxis zu konzentrieren, die mit Umsetzung der EmpCo-Richtlinie ab 27. September 2026 Geltung haben werden.

 

Die wesentlichen Inhalte der EmpCo-Richtlinie und ihre Umsetzung im deutschen Wettbewerbsrecht

Das auf der EmpCo-Richtlinie beruhende 3. UWG-Änderungsgesetz sieht insbesondere folgende Verschärfungen im Bereich der Werbung mit umweltbezogenen Aussagen vor:

  1. Nachhaltigkeitssiegel dürfen nur noch verwendet werden, wenn sie durch staatliche Stellen festgesetzt wurden oder auf einem Zertifizierungssystem beruhen.

  2. Allgemeine Umweltaussagen sind nur noch zulässig, wenn sie auf einer anerkannten hervorragenden Umweltleistung beruhen.

  3. Die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ oder anderen Verweisen auf eine vermeintliche CO2-Neutralität oder Verringerung von Belastungen für Umwelt oder Klima ist verboten, wenn die beworbene Neutralität nicht auf Vermeidung, sondern nur auf Kompensationsleistungen beruht.

  4. Umweltvorteile, die nur Teilaspekte eines Angebots betreffen (z. B. eine umweltfreundliche Verpackung), dürfen in der Werbung nicht auf das gesamte Produkt bezogen werden.

  5. Irrelevante Vorteile oder Produkteigenschaften, die bloß auf der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben beruhen, dürfen nicht als besonderer Umweltvorteil eines Produkts herausgestellt werden. 

  6. Werbeaussagen, die sich auf künftige Umweltleistungen von Produkten oder Unternehmen beziehen, müssen durch eine klare Verpflichtung, einen konkreten und realistischen Umsetzungsplan sowie eine externe Überprüfung belegt sein.

Unternehmen, die sich auf die Gesetzesänderung zum 27. September 2026 optimal vorbereiten wollen, müssen daher zunächst einmal differenzieren, welche Anforderungen sie ohnehin schon erfüllen und wo konkreter Handlungsbedarf besteht.

 

Neue Regelungen untermauern bisherige Rechtsprechung 

Viele der neuen gesetzlichen Regelungen werden in Unternehmen bereits umgesetzt, weil die Rechtsprechung in Deutschland schon heute, d.h. auch ohne konkrete gesetzliche Normierung, im Rahmen der Auslegung der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Irreführungsvorschriften (§§5ff UWG) vergleichbare Anforderungen stellt. 

So haben Gerichte schon seit vielen Jahren die sogenannte „Werbung mit Selbstverständlichkeiten“ als irreführend angesehen, wenn potentiellen Käufern eine Besonderheit suggeriert wurde, obgleich die beworbene Eigenschaft für das betreffende Produkt aufgrund gesetzlicher oder tatsächlicher Notwendigkeiten vorgegeben war. 

Auch Überinterpretationen von Umweltvorteilen, die nur Teilaspekte des Produkts betreffen, wurden schon mehrfach als irreführend untersagt, beispielsweise wenn der in der Werbung versprochene geminderte CO2-Abdruck eines Produkts tatsächlich nur dessen Verpackung betraf.

Schließlich erhebt die Rechtsprechung auch schon heute umfassende Anforderungen an die Nachweisbarkeit von Umweltaussagen unabhängig davon, ob diese aktuelle oder für die Zukunft geplante Aussagen, wie z.B. zu einer CO2-Ausstoß-Reduzierung bis 2050, betreffen.

Insoweit schaffen diese neuen Regelungen zusätzliche Klarheit, stellen in der Praxis aber keine gravierende Änderung der Rechtslage dar.

 

Anpassungsbedarf für Werbende ab September 2026

Dennoch gibt es Bereiche, in denen auch Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitswerbung schon heute verantwortungsvoll und rechtstreu gestalten, zum September 2026 massiv nachsteuern müssen:

1. Allgemeine Umweltaussagen

Aussagen wie „umweltfreundlich“, „grün“, „nachhaltig“, „ökologisch“ oder „energiesparend“ sind künftig verboten, wenn keine zugrundeliegende anerkannte hervorragende Umweltleistung nachzuweisen ist. 

Zur Frage, wie der Nachweis gelingen kann, bietet die Gesetzesbegründung bislang allerdings nur wenige Anhaltspunkte. Beispielsweise soll eine Umweltkennzeichnung nach EN ISO 14024 durch staatlich anerkannte Systeme (z. B. „Blauer Engel“), die Einhaltung spezifischer Verordnungen wie der VO (EG) 66/2010 (EU-Ecolabel, „Euroblume“) oder das Erreichen von Bestwerten im Bereich der Energiekennzeichnung (z. B. Klasse A Energiekennzeichnungs-VO) geeignet sein.

Soweit für viele Produkte und Branchen keine entsprechenden Anerkennungsmöglichkeiten bestehen, gilt ab September 2026 ein weitgehendes Verbot allgemeiner Umweltaussagen. Hier kommt als Abhilfe nur in Betracht, diese Aussagen zu spezifizieren (z. B. statt einem allgemein „biologisch abbaubar“ lieber ein „die Verpackung ist im Falle der Eigenkompostierung innerhalb eines Monats biologisch abbaubar“), auch wenn das in vielen Fällen eine nicht unerhebliche Herausforderung an die zuständigen Marketing-Abteilungen stellen dürfte.

2. Zukunftsbezogene Aussagen

Die Anforderungen an zukunftsbezogene Umweltaussagen steigen insoweit an, als das Unternehmen detailliertere Planungen nachweisen und diese extern überprüfen lassen müssen.

3. Nachhaltigkeitssiegel

Die Anbieter von „privaten“ Nachhaltigkeitssiegeln müssen ihre Systeme nachrüsten. Sie benötigen künftig eine Regulierung durch eine staatliche Stelle oder ein Zertifizierungssystem, bei dem die Siegelvergabe durch einen externen und unabhängigen Dritten geprüft wird. Bestehende Siegel, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, dürfen ab dem 27. September 2026 nicht mehr verwendet werden. 

Das gilt auch, wenn der Anbieter diese ursprünglich über einen längeren Zeitraum lizenziert hat. In der Praxis stellt sich hier schon jetzt die Frage nach einer Übergangsfrist für besonders langlebige und langfristig vorproduzierte Produkte. Die Richtlinie sieht eine solche Option allerdings nicht vor. Daneben müssen sich Unternehmen, die auch künftig rechtssicher mit Nachhaltigkeitssiegeln werben wollen, frühzeitig um eine Abstimmung mit entsprechend vorbereiteten Prüfinstitutionen kümmern.

4. „CO2“-Neutralität“

Nach langen Rechtsstreitigkeiten um die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ und den hiermit verbundenen Informationspflichten gilt ab September 2026 ein Verbot der Werbung mit „klimaneutral“ und vergleichbaren Begriffen, wenn nur Maßnahmen zur Kompensation des CO2-Ausstoßes getroffen werden. Die umfassend praktizierte werbliche „Aufrechnung“ des eigenen CO2-Ausstoßes mit bestimmten vom Unternehmen geförderten Klimaschutzmaßnahmen wie z. B. Aufforstungsprojekten ist damit passé. Unternehmen bleibt es aber erlaubt, Imagewerbung zu betreiben und beispielsweise mit den von ihnen unterstützten Umweltprojekten zu werben. 

 

TO-DOs für Unternehmen

Ganz oben in der To-Do-Liste steht das Thema Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln, da deren Überarbeitung durch die Anbieter und der vielfach erforderliche Durchlauf eines aktualisierten Prüfverfahrens besonders zeitaufwendig sein dürfte. Zudem finden sich derlei Siegel vielfach Verpackungen und anderen gedruckten Werbe- und Verkaufsmaterialien, so dass erst recht genügend Vorlaufzeit einzuplanen ist.

Daneben müssen Unternehmen, die allgemeine oder zukunftsbezogene Umweltwerbung tätigen wollen, nicht nur über die vorgeschriebenen Nachweise, Belege und externen Prüfungen verfügen, sondern auch in der Lage sein, diese in geeigneter Weise bereitzustellen.

 

Fazit: Aktuelle und geplante Umweltwerbung kritisch prüfen

Der Anpassungsbedarf, den die Umsetzung der EmpCo-Richtlinie verursacht, mag für einige Unternehmen geringer sein als dies teilweise aufgrund einer unzutreffenden Verquickung mit den noch nicht anstehenden Änderungen auf Grundlage der Green Claims-Richtlinie vielfach in der Öffentlichkeit den Anschein hat. 

Auch die strengen Vorgaben an Wahrheit und Belegbarkeit, die die Rechtsprechung zum Irreführungsrecht schon heute an „grüne Werbeversprechen“ stellt, können dazu führen, dass Unternehmen ihre Werbung bereits in vielerlei Hinsicht an die Vorgaben der neuen gesetzlichen Regelungen angepasst haben. Dennoch gilt es, den noch verbleibenden Zeitraum zu nutzen und die eigene aktuelle und geplante Werbung kritisch zu prüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten.  

 


Über die Autorin:

Dr. Jeannette Viniol, LL.M. (Warwick) ist Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz und Partnerin bei JBB Rechtsanwält:innen in Berlin mit Spezialisierung im Bereich Wettbewerbsrecht und Werbung. Das Thema „Green-Washing“ und „Green Claims“ beschäftigt sie schon lange, sowohl in ihrer Beratungspraxis und in gerichtlichen Verfahren wie auch in Vorträgen sowie Veröffentlichungen in der Fachliteratur.